Mittlerweile liegt die erste Runde der Regionalversammlungen und die Zukunftswerkstatt hinter uns. Höchste Zeit also, eine kurze Bestandsaufnahme vorzunehmen und ein Zwischenfazit zu ziehen.
Der Prozess der Vereinsentwicklung begann direkt nach der letzten Mitgliederversammlung im Oktober 2015 mit einer umfangreichen Situationsanalyse. Zu diesem Zweck wurden 139 VfB-Mitglieder persönlich befragt und es wurde eine Onlineumfrage ausgesendet, an der 4.363 Personen teilnahmen. Die Ergebnisse waren aus unserer Sicht keine große Überraschung: Das schönste Erlebnis mit dem VfB war die Meisterschaft 2007, die Kommunikation des VfB mit den eigenen Fans wird als zu wenig, zu schlecht und zu intransparent beschrieben, die Vertrauenskrise manifestiert sich in einer Schulnote von 3,87 für die aktuelle Vereinspolitik, „furchtlos und treu“ hat als übergestülptes Agenturprodukt für viele Mitglieder keinerlei Bedeutung und das Thema Ausgliederung treibt die Mitgliedschaft um. Die kompletten Ergebnisse können hier nachgelesen werden.
Aus unserer Sicht waren die Ergebnisse, wie bereits erwähnt, keine große Überraschung, weshalb schon früh in der AG Vereinsentwicklung der Wunsch laut wurde, die Ausgliederungspläne bereits vor den Regionalversammlungen offenzulegen, damit auf diesen ein komplettes Bild der Situation diskutiert werden kann. Die Projektleitung verwies daraufhin lediglich auf die Prozessdefinition. Diese sah eine Veröffentlichung der Pläne frühestens nach der ersten Runde der Regionalversammlungen vor. Da das Thema Ausgliederung in den Umfragen jedoch wenig überraschend eine gewisse Relevanz hatte, wurde dem Vorschlag schlussendlich dann doch zugestimmt und die Regionalversammlungen konnten mit einem kompletten Bild der aktuellen Situation unseres Vereins beginnen. An dieser Stelle muss man sicherlich auch mal dem Vorstand und vor allem Bernd Wahler danken, der sich auf 11 Veranstaltungen den Umfrageergebnissen und den damit verbundenen Diskussionen gestellt hat. Inhaltlich war auf den Veranstaltungen allerdings kein Fortschritt feststellbar. Die Befürworter und Gegner der Ausgliederung platzierten mehr oder weniger geschickt ihre Argumente und der VfB blieb stur bei seiner Auffassung, die einzige Form der Ausgliederung gefunden zu haben, die keinerlei Nachteile hat und sogar noch die Mitgliederrechte stärken würde. Die Posten waren also bezogen und gespannt wartete man auf die Zukunftswerkstatt. Dort sollten nach Wunschvorstellung der Projektleitung die Ideen zusammenfließen, Kompromisse gefunden und Gräben geschlossen werden. Aus kleinen Tischrunden sollten dabei konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt werden, die der Vorstand anschließend prüfen würde, um sie dann eventuell umzusetzen.
Die Zukunftswerkstatt konnte diese Erwartungen jedoch leider nicht erfüllen: Schon die Anmeldezahlen ließen absolut zu wünschen übrig und letztendlich fanden sich statt der geplanten 1.500 Mitglieder nur 673 VfB’ler in der Schleyerhalle ein, obwohl es zwischenzeitlich fast 1.000 Anmeldungen gab. Sicherlich muss sich der VfB den Vorwurf gefallen lassen, das anspruchsvolle Konzept der Veranstaltung (6 Runden à 20 Minuten Diskussion in Tischrunden + 45 Minuten Entwicklung der Handlungsempfehlung) nicht ausreichend kommuniziert zu haben, beziehungsweise die Informationen hierzu erst nach der Anmeldung zur Verfügung gestellt zu haben. Auch dürfte der enorme individuelle Aufwand von fast 3 Stunden Diskussion in Kleingruppen erst einmal erschrecken. Dennoch kann man sich die Mühe schon mal auf sich nehmen, schließlich geht es um die Zukunft unseres VfB. Auch inhaltlich blieb die Veranstaltung deutlich hinter den Erwartungen zurück. Durch eingespielte Videointerviews und Interviews mit den Vereinsverantwortlichen in den Pausen wurde die bisherige Position zementiert: Der VfB hat zu wenig Geld. Dass es genug Zahlen gibt, die eher den Schluss nahelegen, dass der VfB zu viel Geld verbrennt – geschenkt. Daimler will viel Geld geben und erwartet dafür laut Aussage von Herrn Porth gar nichts: keine Rendite, keine Kontrolle. Nur der Standort Stuttgart soll durch einen erfolgreichen Fußballverein gestärkt werden und Frau Porth freut sich natürlich auch, wenn nach dem Spiel ein gutgelaunter Mann nach Hause kommt. So weit, so platt. Der Vorstand gab sich weiter Mühe, sein Modell als die eierlegende Wollmilchsau zu positionieren und wälzte die Verantwortung, Alternativen zu entwickeln, auf die Mitgliedschaft ab.
An diesem Punkt stellt sich natürlich die Frage, was der Prozess der Vereinsentwicklung überhaupt erreichen soll. Im Moment drängt sich schon fast der Verdacht eines falschen Spiels auf, wenn der Vorstand weiterhin reklamiert, die optimale Lösung bereits gefunden zu haben, die über jeden Zweifel erhaben ist, während alle anderen Varianten laut VfB-Pamphlet gravierende Nachteile haben. Dass ausgegliedert werden muss, steht für den Vorstand ebenfalls außer Zweifel, wo kommen wir denn hin, wenn die Jugend ihre Rasenheizung nicht bekommt? Für Verbesserungen am VfB-Modell wird somit argumentativ kein Anknüpfungspunkt gelassen, da man ja angeblich gar nichts mehr besser machen kann. Mit der Hypothek einer Schulnote von 3,87 kann man sich schon mal so positionieren.
Was bleibt also unterm Strich? Trotz widriger Umstände wurde engagiert gearbeitet um Handlungsempfehlungen zu entwickeln, und wie wir aus den mittlerweile veröffentlichten Handlungsempfehlungen wissen, ergibt sich kein eindeutiges Bild. Klar gibt es Stimmen, die den Plan des Vorstands umgesetzt sehen wollen, es gibt aber auch viele Handlungsempfehlungen, die an der aktuellen e.V.-Struktur festhalten und diese nachhaltig verbessern wollen. Der überwältigende Anteil der Handlungsempfehlungen bezieht sich auf Mitsprachemöglichkeiten und Mitgliederrechte, allerdings ohne eine konkrete Rechtsform zu nennen. Man darf nun gespannt sein wie der Vorstand sich zu diesen positionieren wird. Ein reines Fokussieren auf die Rechtsform der AG erscheint vor diesem Hintergrund nicht unbedingt sinnvoll. Vielmehr müssen die Handlungsempfehlungen aus der Zukunftswerkstatt künftig in beiden rechtlichen Rahmen geprüft und gleichberechtigt kommuniziert werden.
Hier muss natürlich grundsätzlich kritisiert werden, dass der Vorstand selektieren kann. Grundsätzlich stünde nämlich jedem Mitglied der Weg über die Mitgliederversammlung offen.
Unterm Strich wird der Wettbewerb der besten Ideen für den VfB massiv erschwert. Der Prozess wird bisher vom Vorstand dazu genutzt, den Rahmen der Diskussion zu stecken und eigene Argumente prominent zu platzieren. Eine für alle Seiten befriedigende Lösung wie beim Stadionneubau ist nicht in Sicht, dazu ist das Lagerdenken schon viel zu etabliert und manches Gremienmitglied gab bereits bei der Zukunftswerkstatt unumwunden zu, dass man alle emotionalen Schienen bedienen müsse, um genug Leute auf die Mitgliederversammlung zu bekommen, um „die Gegner“ zu überstimmen. Im Prozess ist momentan also nur noch eines ergebnisoffen: Nämlich ob sich der VfB mit seinem Plan durchsetzt oder eben nicht – aber was nutzt ein Sieg wenn es einen Verlierer gibt…
Commando Cannstatt 1997
Schwabensturm 2002