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Spruchband beim Heimspiel gegen Bremen

Beim Heimspiel gegen Werder Bremen zeigten wir ein Spruchband mit dem Text:
„FREEDOM AND JUSTICE FOR ULTRAS WHITE KNIGHTS!“

An dieser Stelle wollen wir ein paar Hintergrundinfos geben. Auch wenn wir in Deutschland ständig mit Repressionen und Einschränkungen gegenüber unserer Fankultur zu kämpfen haben, fällt es schwer wirkliche Parallelen zu ziehen.

In der westlichen Presse wurde die aktive Rolle der ägyptischen Ultras beim Kampf gegen das Regime Hosni Mubaraks im Jahr 2011 lobend beachtet. Ihre bedeutende Rolle in der Revolution hat ihnen eine so starke Position eingebracht, dass sie „Verteidiger des Tahrir-Platzes“ genannt wurden. Schaute bei der Revolte im arabischen Frühling noch die versammelte Weltpresse hin, so werden jetzt, wo die damals beteiligten Ultrasgruppen unter der Militärrepression leiden müssen, die Augen verschlossen. Beginnen wir mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse nach der ägyptischen Revolution:

Im Februar 2012 spielte Al Ahly – Zamaleks Stadtrivale und zweiter großer Verein in Ägypten – in Port Said. Die Sicherheitsorgane versagten und schauen bewusst weg. Von der Militärregierung bezahlte Schläger, mutmaßlich gefolgt von einigen Ultras der Green Eagles Port Said, stürmten den Platz und später den nach hinten verschlossenen Gästeblock und 74 Al Ahly – Fans wurden erstochen, erschlagen oder zertrampelt. Die Rache an den Al Ahly Ultras für ihr Auftreten während der Aufstände war perfekt. Der ägyptische Fußball lag am Boden. Fortan sollten bis Februar 2015 alle Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Drei Jahre später überraschte Mortada Mansour – Zamalek-Vorsitzender und Mitglied des ägyptischen Parlaments mit Kontakten zu allen wichtigen Stellen im Lande – die Fans mit 10.000 Einladungen zum Liga-Spiel gegen Enppi am 08. Februar 2015. Für das erste Ligaspiel nach einer Ewigkeit sollte der Eintritt also kostenlos sein. Kurzfristig entschied sich Mortada nur 5.000 Tickets herauszugeben. Aufgrund der ausgesprochenen Einladung und der langen Durststrecke kamen aber riesige Massen an Fans ans Stadion und warteten vor dem einzigen geöffneten Eingangstor des Stadions in einem von Eisenzäunen gesäumten Gang dicht gedrängt auf Einlass. Nachdem wenige Hundert Personen den Käfig durchschritten hatten, wurde der Eingang von der Polizei verschlossen. Der Druck stieg von Minute zu Minute, das Tor blieb geschlossen. Es kam zur Massenpanik woraufhin die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen in die Menge zielte. Menschenmassen waren blind vor Gas und in Panik. Einige wurden zertrampelt, andere erstickten. Gleichzeitig wurden die Flüchtenden von Polizeifahrzeugen und nicht enden wollendem Tränengas gejagt. 20 Zamalek Fans verloren ihr Leben durch diesen mörderischen Akt. Im späteren Verlauf zeigte Mortada sein wahres Gesicht. Den Spielern, die nicht antreten wollten, erklärte er, dass es nur kleine Ausschreitungen ohne Tote gab. Später wurde ein Arzt, der den Gifttod einiger Opfer bescheinigte, von seinen Vorgesetzten bestraft. Nicht die Verantwortlichen des Vereins oder der Exekutive mussten sich vor Gericht verantworten – es wurden 18 Zamalek-Fans, unter ihnen führende Mitglieder der UWK, verhaftet. Sie sollten für das Ganze verantwortlich sein und wurden deshalb zu 7 Jahren Haft verurteilt. Andere die in der Zwischenzeit aus dem Land fliehen konnten, zu 25 Jahren. Zudem verfügte ein Kairoer Gericht ein Verbot der Ultrasgruppen und deren Auflösung, Ultras würden ab sofort als terroristische Organisationen eingestuft. Klage erhoben hatte übrigens Mortada Mansour, der Vorsitzende von Zamalek, bekannt als früherer Gefolgsmann von Mubarak. Die Rächer der Revolution sind überall.

Nach dieser erneuten Tragödie entschieden der ägyptische Staat und der Fußballverband erneut, alle nationalen Spiele ohne Zuschauer stattfinden zu lassen. Dennoch ließen sich die Ultras nicht von ihrer Leidenschaft abbringen. Wenn der eigene Verein in der afrikanischen Version der Champions League antritt, sind Zuschauer zugelassen. Internationale Heimspiele Zamaleks werden aus Sicherheitsgründen im Borg El Arab Stadium, das aufgrund der Zuständigkeiten auch Army Stadium genannt wird, im circa 3 Stunden entfernten Alexandria ausgetragen. Kein Hindernis für Fans aus dem ganzen Land. Es war der 09. Juli 2017, Zamalek trat gegen die Libyer aus Tripolis an. Die UWK akzeptierten nicht, dass in der CL zwar Zuschauer erlaubt, die Kurven aber geschlossen bleiben. Direkt nach dem Betreten der Geraden versuchten die Ultras die Kurve zu entern, wo sich ihnen Armee und Polizei entgegenstellten. Es kam zu Ausschreitungen. Als dann noch mit Maschinenpistolen bewaffnete Spezialkräfte dazukamen, trat man den Rückzug an. In der zweiten Halbzeit warfen die Zamalek Ultras unzählige Bengalen von der Geraden auf das Spielfeld und provozierten eine Spielunterbrechung. Ein Zeichen des Protestes, denn es ging ihnen hier um mehr als nur ein Spiel. Es ging darum nicht akzeptieren zu wollen, kein Teil des eigenen Vereins und des Fußballs sein zu dürfen. Die Provokation saß und der Staat schlug nach dem Spiel zurück. So begann eine wahre Hetzjagd auf die Ultras und es kam zu über 260 Verhaftungen. In Ägypten ist allerdings auch kein dringender Tatverdacht für eine Verhaftung notwendig. Nach einem Monat wurden dann 24 Leute wieder entlassen, Anfang Dezember folgten die restlichen 236 Zamalek-Fans. Was für diese bleibt, sind 6 Monate Gefängnis ohne ein Urteil.

Wenige Tage vor dem 08. Februar 2018, dem 3. Jahrestag, an dem 20 Zamalek-Fans ihr Leben ließen, wurden dann in einer Nacht und Nebel-Aktion 18 UWK-Mitglieder während einem Bootstrip auf dem Nil verhaftet. Wieder gab es keinen Tatvorwurf und keine Begründungen für die Verhaftungen. Allerdings wird vermutet, dass damit öffentliche Gedenkaktionen der UWK verhindert werden sollten. Im Vorfeld des Trauertags gelang es den UWK trotzdem, an einigen Orten Gedenk-Graffitis zu platzieren und außerdem entstanden einige Erinnerungsfotos bei Besuchen der Familien der Verstorbenen. Kurz nach dem 8. Februar wurden 5 der 18 entlassen. Die 13 anderen verweilen bis heute in Haft.

Bis heute ist keine Ruhe eingekehrt. Seit dem 8. Februar kommt es regelmäßig zu Verhaftungen. Oft wusste man tagelang nicht, wo die „verschwundenen“ Personen hingebracht wurden. 6 UWK-Mitglieder wurden beispielsweise auf dem Rückweg der Hochzeit eines Gruppenmitglieds verhaftet. 2 von ihnen wurden nur deshalb freigelassen, weil sie Journalisten und Fotografen waren. Die Zahl der Personen, die seit dem 08. Februar verhaftet wurden ist nur knapp unter 30. Dies dauert bis zum heutigen Tag an und die Mitglieder der UWK leben in ständiger Ungewissheit, wen es willkürlich als nächstes erwischt.

Weitere Infos findet ihr in der aktuellen Ausgabe von Blickfang Ultra.

FREEDOM AND JUSTICE FOR ULTRAS WHITE KNIGHTS!