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Spruchband beim Heimspiel gegen Borussia Dortmund

Anfang Oktober beschloss der VfB, bzw. die Verantwortlichen der AG, offiziell eine Kooperation mit dem chinesischen Erstligisten Guangzhou R&F. Verwundern sollte dies spätestens auf den zweiten Blick niemand mehr. Dass DFB & DFL gemeinsam mit Wirtschaft und Politik nach China blicken ist kein Geheimnis. Findet man sonst, unter anderem politisch, nur wenig Gemeinsamkeiten auf der deutsch-chinesischen Ebene, so soll jetzt der Fußball mit seiner Popularität dazu dienen, die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder zu stärken und auszubauen. Dass der VfB meist linientreu gegenüber den Verbänden agiert und auch in Bezug auf China keine Berührungsängste hat, ist hinlänglich bekannt. Bereits in der vergangenen Saison äußerte sich Michael Reschke sichtlich unkritisch über den Vorschlag bezüglich eines möglichen Pokalfinales in China und auch bei der Farce um die chinesische U20-Nationalmannschaft in der Regionalliga Süd waren von den Verantwortlichen des VfB keine kritischen Stimmen zu vernehmen. Vielmehr stellte der VfB in den vergangenen Monaten bereits Experten für den chinesischen Markt zur „Internationalisierung“ des Vereins ein. Da stellt sich einem schon die Frage, ob hier nicht genügend Arbeit vor der eigenen Haustüre liegt.

Worin aus sportlichen Gesichtspunkten der Mehrwert einer Kooperation mit einem mittelmäßigen chinesischen Erstligisten liegen soll, erschließt sich zudem überhaupt nicht. Doch egal, die Goldgräberstimmung scheint ausgebrochen, die in der Fußballbranche um sich greifende Chinaorientierung hat auch den VfB erfasst und wirtschaftliche Interessen stehen in dieser Kooperation ganz klar über dem sportlichen Output. Ein ähnlicher Weg wird ja auch schon beim Thema „E-Sports“ eingeschlagen, von welchem man sich ohne sportlichen Mehrwert für den Verein in Zukunft augenscheinlich mehr wirtschaftliches Wachstum zu generieren verspricht, als durch klassische Themen eines Vereins, wie Breitensport, Frauenfußball oder ähnliches. Während der VfB auf seiner Homepage eher oberflächlich davon berichtet, dass man „neben der Einbindung in die Außenkommunikation von R&F die Möglichkeit, das weitreichende Netzwerk des Clubs in China zu nutzen und mit dieser Unterstützung nachhaltig in China Fuß zu fassen“ erhält, wird der neue Partner auf seiner Homepage in der Benennung der Ziele schon konkreter. Dort ist die Rede von den Bereichen „Geschäftsmarkterschließung, Fan-Mitgliedschaftsrechte, Fußballgeschäftsforschung, E-Sport-Sponsoring etc.“ und zudem wird im Bericht auch explizit die Gastgeberrolle für VfB AG-Anteilseigner Mercedes-Benz in China angesprochen. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass der VfB sich einen Kooperationspartner ausgerechnet in der chinesischen Wirtschaftsmetropole Guangzhou, einer Region, die auch als „Fabrik der Welt“ bezeichnet wird, aussucht? Und das in Zeiten, in denen noch immer ein zweiter Ankerinvestor für die AG gesucht wird und die Abkehr vom lange beworbenen „regionalen Investor“ längst öffentlich gemacht wurde?

Dies passt aber alles ins Bild der Marketingabteilung. Ob Chinavermarktung, E-Sports, Pop-Up Stores für künstlich verknappte Sondertrikots, die alljährlichen Weihnachtspullis und vieles mehr: Man wird das Gefühl nicht los, dass ohne wirkliches Konzept alles blind adaptiert wird, was bei anderen Vereinen auch Umsatz generiert. Selbst die von uns für die Fans organisierte Karawane Cannstatt, die alljährlich auch ein der aktiven Fanszene aktuelles Anliegen auf die Straßen trägt, wurde in diesem Jahr versucht vom Verein für seine kommerziellen Zwecke zu nutzen, ohne den Inhalt und die Anliegen der Fanszene zu transportieren. Ein wirklich eigenes Profil wird so sicherlich nicht geschärft. Wofür der VfB steht bleibt unklar. Im Gegensatz zu wirklich innovativen, kreativen Ideen, wird man durch die vorherrschende copy&paste Strategie die Konkurrenz nie überholen, sondern auch in diesem Bereich immer nur hinterherhecheln. Von einer Identifikation stiftenden Außendarstellung scheint der VfB meilenweit entfernt. Dass der VfB sich diese Entwicklung gerade in einer Zeit erlaubt, in der bundesweit tausende Fußballfans lautstark den Kampf gegen die weitere Ausschlachtung ihres Fußballsports führen und sich zahlreiche Fans emotional von ihrem Lieblingssport entfernen, ist schlichtweg jedes Mal aufs Neue ein Schlag ins Gesicht.

Chinesische Touristen in blauen Trikots sind für uns in der Cannstatter Kurve nicht vorstellbar, daran ändert auch eine vorgesetzte Kooperation nichts.