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Redebeitrag von Angela Furmaniak bei der NoPolGBW-Demo

An dieser Stelle dokumentieren wir den Redebeitrag von Rechtsanwältin Angela Furmaniak bei der NoPolGBW-Demo am 13.07.2019. Der Redebeitrag steht auch bei https://www.freie-radios.net als Audiodatei zur Verfügung.

Redebeitrag zur Demonstration gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes in Baden-Württemberg am 13. Juli 2019 in Stuttgart
von
Angela Furmaniak

„Ich stehe heute hier, um aus der Sicht von Fußballfans die Ursachen und Auswirkungen der immer weiteren Verschärfung der Polizeigesetze zu schildern. Als Rechtsanwältin begleite ich seit vielen Jahren nicht nur linke Aktivist*innen, sondern auch Fußballfans und erlebe dabei ganz unmittelbar, was es heißt, mit immer weitergehenden polizeilichen Maßnahmen konfrontiert zu sein.

Viele hier werden sich gewundert haben, weshalb sich überhaupt Fußballfans, das heißt vor allem Ultras im Bündnis gegen das neue Polizeigesetz engagieren. Und warum dafür sogar Fangruppen, die ansonsten regelrecht verfeindet sind, an einem Strang ziehen.
Das hat einen ganz einfachen Grund: Fußballfans sind diejenigen, die mit am häufigsten und intensivsten von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind. Wer einmal mit einer Gruppe Ultras zu einem Auswärtsspiel in ein anderes Bundesland gefahren ist, wird wissen, was ich meine.

Typischerweise bringt die Polizei bei Fußballspielen ihr gesamtes technisches Arsenal zum Einsatz. Bei Heimspielen des VfB Stuttgart fliegt mittlerweile regelmäßig eine Drohne über Bad Cannstatt, um die Fans zu beobachten und die Pferdestaffel ist fast immer auch mit dabei. Und wen wundert es, dass Wasserwerfer, die nach dem sogenannten „Schwarzen Donnerstag“ im September 2010 in Baden-Württemberg über einige Jahre völlig verpönt waren, weil einem Demonstranten durch einen Wasserstrahl das Augenlicht zerstört wurde, natürlich ihren ersten Einsatz wieder beim Fußball hatten?

Schon im Vorfeld einer Auswärtsfahrt setzt sich die Polizei in der Regel mit dem Busunternehmen in Verbindung, um zu klären, wie viele Busse von den Fans angemietet worden sind. Oft stehen dann am Treffpunkt nochmals Zivilstreifen, die beobachten, welche Personen genau mit am Start sind. Spätestens einige Kilometer vor der Ankunft am Stadion werden die Busse dann in einem Konvoi der Polizei zum Stadion geleitet. Ein Abweichen von der Strecke oder auch nur ein kurzer Halt sind dann nicht mehr möglich. Nicht selten kommt es vor, dass die Busse bereits zuvor über eine große Strecke von einem Polizeihubschrauber begleitet worden sind. Bei Ankunft auf dem Busparkplatz am Stadion werden die Fans dann häufig umgehend in einen Polizeikessel genommen und engmaschig zum Stadion begleitet.
Im Stadion selbst ist die Polizei selbstverständlich ebenfalls präsent. Und immer wieder kommt es zu dramatischen Szenen und Verletzten, wenn die Polizei – häufig aus nichtigem Anlass – einen vollbesetzten Fanblock stürmt und dabei Pfefferspray einsetzt.
Nach dem Spiel erfolgt dann oft eine sogenannte Blocksperre, das heißt die Fans dürfen über einen längeren Zeitraum das Stadion nicht verlassen, um eine Trennung der Fanlager sicherzustellen. Dass die Fans danach erneut im Polizeikessel zu ihren Bussen eskortiert werden und im Polizeikonvoi aus der Stadt hinausgeleitet werden, versteht sich von selbst.
Und wer bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt dabei ist, kann sich oft glücklich schätzen. Im Vorfeld von sogenannten Risikospielen greift die Polizei in letzter Zeit zunehmend zum Mittel der Aufenthaltsverbote, um zu verhindern, dass Fans überhaupt zu einem Auswärtsspiel reisen können. Und ein Ultra, der nicht schon mal von einer Gewahrsamnahme oder einem Platzverweis betroffen war, dürfte schwer zu finden sein.

Als wäre dies alles nicht genug, führen die genannten polizeilichen Maßnahmen in aller Regel zur Eintragung der Betroffen in einer der diversen polizeilichen Datenbanken, das heißt insbesondere der Datei „Gewalttäter Sport“ oder auch der baden-württembergischen „Datei Szenekundiger Beamter“. Die Folgen einer solchen Datenspeicherung machen sich nicht nur im Zusammenhang mit Fußballspielen, sondern auch im Alltag bemerkbar. So kann eine Treffermeldung bei der Grenzkontrolle auf dem Weg in den Urlaub dazu führen, dass der Betroffene so lange akribisch kontrolliert und durchsucht wird, bis der Flugtermin verpasst ist.

Liest man im Nachhinein die Polizeiberichte, so meint man, die Polizei habe nur mit letzter Not ein bürgerkriegsähnliches Szenario verhindern können. Viel zu oft werden diese Berichte unhinterfragt von der Presse ganz einfach abgeschrieben, ohne dass auch nur der Versuch einer kritischen Auseinandersetzung zu erkennen ist.

Im Gegensatz zu diesem massiven personellen und technischen Aufwand, den die Polizei bei Fußballspielen betreibt, stehen die nackten Zahlen der Polizeistatistik. Danach handelt es sich bei Fußballstadien nämlich um sehr sichere Orte. In der Saison 2018/2019 waren in Baden-Württemberg in den ersten vier Ligen bei durchschnittlich 17.500 Zuschauern pro Spiel jeweils gerade einmal 0,7 Verletzte zu verzeichnen. Jedes Dorffest dürfte gefährlicher sein. Und die Anzahl der von der Polizei erfassten Straftaten geht von Jahr zu Jahr zurück.

Aber warum dann dieser ganze Aufwand? Und warum wird die vermeintliche Notwendigkeit, hart gegen angebliche Fußballgewalt durchzugreifen mit schöner Regelmäßigkeit von einschlägigen Sicherheitspolitikern und Polizeigewerkschaftlern bemüht, um härtere Gesetze, mehr Geld, mehr Stellen und bessere Ausrüstung für die Polizei zu fordern?

Das dürfte unter anderem damit zu tun haben, dass Fußballfans kaum eine Lobby haben. Viel zu oft werden sie unwidersprochen medial als Fußballchaoten und Gewalttäter abgestempelt und die Bürgerrechtsbewegung tut sich mehr als schwer mit einer Solidarisierung.
Dabei wäre es immens wichtig, dass gerade die Bürgerrechtsbewegung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, was sich im Fußball abspielt. In Zeiten, in denen die Sicherheitsbehörden mit immer größeren Befugnissen ausgestattet werden und immer weiter aufgerüstet werden, müssen diese Maßnahmen von der Exekutive sowie der Legislative gerechtfertigt werden können.
Und wer würde sich als Begründung für eine Gesetzesverschärfung besser anbieten als eine Personengruppe, der das Image der „Schmuddelkinder“ anhaftet und die Linken und sonstigen Engagierten irgendwie suspekt ist

Und wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen dann geschaffen sind und die Polizei mit immer besserer Ausrüstung ausgestattet ist, dann müssen die erweiterten Befugnisse in der Praxis selbstverständlich erprobt werden. Die logistische Mammutaufgabe, eine Vielzahl an Personen auf einmal erkennungsdienstlich zu behandeln oder in Gewahrsam zu nehmen, kann im Zusammenhang mit Fußballspielen am lebenden Fan geübt und umgesetzt werden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dann ohne weiteres im Fall jeglicher Art des Aufbegehrens gegen staatliche Gewalt nutzen. Und so kommen im nächsten Schritt dann vielleicht Demonstrant*innen gegen den Braunkohleabbau oder Protestierende gegen einen Naziaufmarsch in den Genuss, der von der Polizei im Einsatz gegen Fußballfans erworbenen Fähigkeiten.

Wenn man sie nur lässt, kennt Repression kein Halten und die Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften und anderer Freunde der Überwachung keine Grenzen. Noch lässt das Polizeigesetz in Baden-Württemberg „nur“ gegen terroristische Gefährder den Einsatz von Maßnahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung, das heißt der elektronischen Fußfessel und sogenannten Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverboten zu und soll „nur“ gegen diesen Personenkreis demnächst vielleicht der sogenannte Unendlichkeitsgewahrsam möglich sein. In einem übernächsten Schritt zählen dann möglicherweise Fußballfans zu den Betroffenen, bevor schließlich alle, die gegen Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufbegehren, in den Fokus geraten.

Und aus diesem Grund gilt:
Nein zum neuen Polizeigesetz! Nein zu immer mehr Befugnissen für die Polizei! Nein zu immer mehr Kontrolle und Überwachung!