Hallo VfBler,
heute ist es endlich soweit: Mitgliederversammlung. Allein dieses Wort reicht, um den Ruhepuls sofort merklich ansteigen zu lassen. Seit dem glücklichen, aber auch befreienden Sieg in Paderborn ist noch kein halbes Jahr vergangen, allerdings kann man sich beim besten Willen nur noch zaghaft an dieses wunderbar sorglose Gefühl in den Tagen und Wochen danach erinnern. Eine couragierte Pressekonferenz und einen, im Nachhinein wohl fatalen, Testspielsieg und zahlreiche Personalrochaden später war mal wieder eine beispiellose Euphorie rund um die Mercedesstraße zu spüren. Überall war die Rede vom neuen System, der revolutionären Art Fußball zu spielen, dem Konzept, das den VfB wieder erfolgreich machen soll. Ein etwas holpriger Pflichtspielauftakt im hohen Norden war rückblickend vielleicht der erste Warnschuss vor dem nachfolgenden katastrophalen Saisonstart. Nur 4 Punkte aus 8 Spielen und dazu Platz 18, Fehlstart nach Maß!
Allerdings wird die sportliche Situation nur eines der Themen sein, die auf der heutigen Mitgliederversammlung zur Sprache kommen werden, denn sowohl bei unserem VfB als auch im Fußballgeschäft generell zeichnen sich Veränderungen ab, die einzig und allein vom Wunsch nach noch mehr Geld im Fußballbusiness getrieben sind. In diesem Text wollen wir euch deshalb unsere Gedanken zu den Entwicklungen und Perspektiven unseres VfB etwas näher bringen. Natürlich sind wir auch heute wieder zahlreich vertreten und jederzeit für ein sachliches Gespräch zu haben.
Auf dem Platz
Die Bewertung des Saisonstarts dürfte momentan jeden VfBler umtreiben, die Meinungen sind dabei logischerweise so vielfältig wie die Eindrücke aus den ersten Partien der Saison. Auf der einen Seite muss man sicherlich gute Ansätze zur Kenntnis nehmen, es werden Chancen herausgespielt und Gegner unter Druck gesetzt, das hat man letzte Saison eher weniger gesehen. Man denke nur mal zurück an diese grausige Nullnummer in Köln. Dem entgegen stehen die katastrophalen Resultate und ein Trainer, der von sich selbst und seinem System manchmal etwas zu überzeugt wirkt. Da uns Fans in den letzten Jahren schon jede Menge Scheiße erzählt wurde, ist es auch ein Stück weit verständlich, dass die ersten Stimmen das Duo Dutt-Zorniger in Frage stellen. Alternativen sind nicht wirklich in Sicht und so dürfte der Großteil der Anhängerschaft weiter hin- und hergerissen sein. Eine starke Analyse der langjährig vernachlässigten Probleme beim VfB, ein massiver personeller Umbruch im Kader und in dessen Umfeld verursachten in der Sommerpause eine teilweise nicht mehr nachvollziehbare Euphorie, die dann nach bescheidenem Saisonstart und eher durchwachsenem Einstand der Neuzugänge bereits verpufft ist. An der Stelle könnte man vielleicht auch mal die Frage stellen, ob wir als Fans ebenfalls Teil des Problems sind, das würde aber zu weit vom Text wegführen.
Das Fazit kann also nur lauten, weiterhin kritisch zu bleiben und die Aussagen der handelnden Personen zu hinterfragen, wohlwissend dass diese im Zweifelsfall einen gewaltigen Informationsvorsprung gegenüber der Öffentlichkeit besitzen. In dem Zusammenhang sei auch mal gesagt, dass man entweder Alles oder Garnichts glauben kann, beides hat den schönen Nebeneffekt, dass einem die Arbeit des selbständigen Denkens abgenommen wird.
Aufgrund des heutigen Anlasses muss der Blick aber auch zurück ins Jahr 2014 gehen, steht doch die Entlastung des damaligen Vorstands Sport an. Sicherlich auch nochmal eine Möglichkeit die damalige Arbeit zu bewerten. Ob die erst 2015 erfolgte Entlassung von Hansi Müller aus dem Aufsichtsrat bei dessen Entlastung Eingang finden sollte, kann sicherlich jeder für sich selbst beantworten.
Blick in die Zukunft
Neben der ungewissen sportlichen Zukunft scheint der Weg des VfB, beziehungsweise der Weg des gesamten Profifußballs immer klarer. Mit gierigem Blick nach England soll immer mehr Geld generiert und in das System gepumpt werden, um dann schlussendlich in den Taschen überbezahlter Spieler und deren Berater zu fließen. Gehaltsobergrenzen sind offensichtlich sozialromantisches Teufelszeug, das man lieber dem US-Profisport überlässt.
Dabei wird auch geflissentlich ignoriert, dass der deutsche und der englische Pay-TV Markt nicht mal im Ansatz verglichen werden können. In Deutschland kommt der Monopolist Sky auf 4 Millionen Abos, in England bedienen die beiden Wettbewerber 15 Millionen Kunden.
Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass der VfB sich strukturelle Veränderungen wünscht. Die Ausgliederung soll die Antwort sein, aber was genau war eigentlich die Frage? Brauchen wir mehr Geld? Warum brauchen wir mehr Geld? Haben wir nicht genug? Oder machen wir vielleicht nicht genug aus dem, was wir haben? Ein schneller Blick auf die Personaletats der letzten vier Jahre zeigt, dass diese nur sehr schwer mit den sportlichen Ergebnissen in Einklang zu bringen sind. Finanziell lag man ligaweit immerhin auf Platz 4 (2011/2012), Platz 6 (2012/2013) und in den letzten beiden Jahren jeweils auf Platz 7. Rausgekommen sind ein 6. Platz, ein 12. Platz, ein 15. und ein 14. Platz. Im Schnitt schneiden wir also mal eben sechs Plätze schlechter ab als wir nach unserem Personaletat eigentlich sollten. Wo bleibt die Antwort darauf?
Vielleicht ging es bei der Frage ja auch um die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Verein, ist bestimmt nervig sich regelmäßig vor diesen Mitgliedern rechtfertigen zu müssen.
Nach unserem Kenntnisstand will der VfB eine Zukunftswerkstatt initiieren, die sich mit Fragen und Problemen möglicher struktureller Veränderungen auseinandersetzen soll. Diesem Angebot werden wir uns sicherlich nicht verschließen, auch wenn es nicht unser Anspruch ist, das optimale Finanzierungsmodell für den VfB zu finden. Unser Ziel ist die Wahrung beziehungsweise der sukzessive Ausbau von Mitgliederrechten beim VfB. Wir wollen unsere Stimme als Fans nicht einfach abgeben, vor allem nicht, wenn um die Ecke schon wieder die nächste Kröte lauert, die alle Fußballfans schlucken sollen.
Die Rede ist natürlich von der Zerstückelung der Spieltage zu Gunsten von mehr konkurrenzfreien Livespielen im Pay-TV. Auch Montagsspiele sollen für die erste Liga kein Tabu mehr sein. Für viele VfB-Fans ist schon ein Heimspiel an einem Werktag mit erheblichem Aufwand verbunden, von Auswärtsspielen ganz zu schweigen. Eine weitere Ausdehnung auf den Sonntag dürfte noch mehr Fans vor die schwierige Wahl zwischen Stadion/TV oder dem sonntäglichen Gang auf den Sportplatz, ob als Spieler, Trainer oder Zuschauer, stellen. Blickt man etwas tiefer stellt sich auch recht schnell die Frage nach der Nachhaltigkeit. Ohne Zweifel ist die Bundesligakonferenz am Samstag ein attraktives Produkt und wenn der VfB mal nicht spielt, schaut oder hört man da gerne mal rein. Logischerweise lebt die Konferenz aber von der Gleichzeitigkeit, eine weitere Zerstückelung bringt dann eben so attraktive Partien wie den Südgipfel Hoffenheim gegen Ingolstadt hervor. Bedenkt man, dass letzte Saison gerade mal eine vierstellige Anzahl Pay-TV Zuschauer Leverkusen gegen Wolfsburg sehen wollte, kann man recht schnell zu dem Eindruck kommen, dass die Schraube hier schnell überdreht ist, denn auch Leverkusen gegen Darmstadt und Wolfsburg gegen Ingolstadt erzielten eine ähnlich desaströse Quote.
Es ist also höchste Zeit für eine Richtungsdiskussion. Wie soll der VfB der Zukunft aussehen? Welche Rolle gesteht er seinen Mitgliedern und Fans zu? Wie sieht sich der VfB im Profifußball? Soll der VfB ein mündiger Verein sein, der sich auch mal bewusst gegen etwas stellt, seien es jetzt neue Anstoßzeiten oder auch nur irgendeine Bild-Kampagne? Das sind die entscheidenden Fragen für die Zukunft unseres VfB!