Nach dem Heimspiel gegen den SC Freiburg haben wir ein Spruchband mit dem Text „Stuttgart kämpfen – Dietrich raus!“ gezeigt.
Mehr als „Dietrich raus!“ fällt euch auch nicht ein, oder?
Das Stuttgarter Hamsterrad
Tatsächlich halten wir die Präsidentschaft von Wolfgang Dietrich nicht für das größte Problem beim VfB Stuttgart, allerdings spitzt sich durch seine Interpretation der Rolle in Kombination mit seiner strukturell bedingten Ämterhäufung ein seit vielen Jahren bestehendes Problem mal wieder dramatisch zu. Das viel tiefer liegende Problem ist, dass man beim VfB seit Jahr und Tag der Meinung ist, man bräuchte halt einen der „den Sport“ macht und den Rest bekäme man mit fähigen Wirtschaftsleuten schon in den Griff. Diese sonnen sich natürlich nur allzu gern im Glanz des VfB Stuttgart und bringen ihre „Expertise“ mit Vorliebe auch in sportliche Entscheidungen ein. Der Sinn und Zweck des VfB war und ist es aber, Fußball zu spielen, wenn möglich sogar erfolgreich. Die Kompetenzen, Zuständigkeiten und Stellenbesetzungen sind aber seit Jahren nicht an genau diesem Zweck orientiert. Das war schon zu e.V.-Zeiten so, als zeitweise nur Sponsorenvertreter im Aufsichtsrat saßen. Überraschenderweise hat sich dies auch trotz vollmundiger Ankündigung der Professionalisierung auch in der VfB AG nicht merklich verändert. Dazu aber weiter unten mehr.
Aufgrund dieses Missstandes kommt der Rolle des Vorstands Sport eine immense Bedeutung zu. Die Verantwortung für das sportliche Abschneiden lastet alleine auf seinen Schultern. Ihm obliegt es nun, zuerst eine Spielidee zu entwickeln, die passenden Spieler dafür zu verpflichten, den passenden Trainer zu finden, das Funktionsteam um die Mannschaft nach seinen Vorstellungen zu verändern und vieles mehr. Man macht sich also komplett abhängig von den Ideen einer einzigen Person. Bei ausbleibenden Erfolgen oder Differenzen mit den Wirtschaftsfachleuten wird der Posten aber schnell zum Schleudersitz und da es keine übergeordnete sportliche Konzeption oder sonstige Leitlinien zu geben scheint, beginnt der nächste Vorstand Sport wieder bei null und krempelt erstmal den kompletten sportlichen Bereich nach seinen Vorstellungen um. (Dieses Phänomen ist übrigens 1:1 übertragbar auf die Rolle der Trainer und deren damit einhergehende kurze Verweildauer). Gerne beginnen diese Brüche auch mit „Klartext“-Pressekonferenzen und die Zuhörer freuen sich noch darüber, dass endlich mal alles auf den Prüfstand gestellt wird. Zumindest hofft man darauf. Es ist die Illusion von Bewegung, selbstverständlich ohne Fortschritte zu machen.
Schaut man sich die durchschnittliche Verweildauer der Sportvorstände an, erklärt sich auch sehr schnell, warum es gelegentlich schwerfällt, in Kaderzusammenstellung, Spielweise oder Trainerauswahl ein Konzept zu erkennen. Damit wollen wir keinesfalls allen Sportvorständen der jüngeren Vergangenheit eine Absolution erteilen, zu viele sind nach objektiven Maßstäben an ihrer Aufgabe gescheitert. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob die Aufgabe korrekt definiert wird.
Die Rolle von Wolfgang Dietrich
Mit der Ausgliederung sollte ja auch eine Professionalisierung der Strukturen einhergehen. Bisher sieht die aber so aus, dass Wolfgang Dietrich in allen denkbaren Gremien den Vorsitz hat. Das beginnt beim Aufsichtsrat der AG, geht dann über den sogenannten Präsidialrat, den er eingeführt hat, bis zur Hauptversammlung der AG.
Dazu kommt noch eine wohlwollend sehr aktive Rolle im operativen Geschäft der AG, inklusive fortlaufendem Verkünden von Transferabsichten und Budgets in der Öffentlichkeit. Exemplarisch hier das Abstempeln von Pablo Maffeo als „Flop“. All das kann jetzt auch nicht wirklich überraschen. Wolfgang Dietrich sollte Präsident werden, um die Ausgliederung zu erreichen, notfalls eben auch mit der Brechstange. Jetzt haben wir einen absoluten Machtmenschen beim VfB, der in allen Gremien den Vorsitz führt und weder Widerspruch duldet noch das Rampenlicht teilen will oder eine Ahnung hat, wie er den VfB abseits vom Dreschen von Phrasen nach vorne bringen will. Das Resultat ist verheerend: Gespaltener Verein, Identifikation vieler Fans kaputt, Fußballdeutschland lacht mal wieder über den VfB, Kohle verbrannt und der VfB steht nicht besser da als vorher. Eine sportliche Weiterentwicklung ist nicht mal im Ansatz erkennbar, der nächste Abstieg droht.
Was muss sich ändern?
Jetzt nähern wir uns so langsam dem Knackpunkt, wie das Problem denn zu lösen sei und was wir als CC97 jemals konstruktiv dazu beigetragen hätten. Bereits in der Vergangenheit haben wir schon immer sehr stark in Bezug auf Strukturen argumentiert. Zu e.V.-Zeiten war unsere Forderung mehrfach, mehr Sportkompetenz in den Aufsichtsrat des e.V. zu holen, damit endlich eine nennenswerte Kontrolle des Vorstands Sport möglich ist und nicht die komplette sportliche Entwicklung von einer Person abhängt. Stattdessen führten die Aufsichtsräte Jenner, Schäfer und Porth zusammen mit den verbliebenen Vorständen Heim und Röttgermann den VfB durch die turbulente Zeit nach dem Abstieg. Irrungen und Wirrungen auf diesem Weg sind bekannt.
Vor der Wahl von Wolfgang Dietrich plädierten wir für eine Wahl und zwar nicht für oder gegen eine Person, sondern zwischen zwei Personen mit Konzepten für den VfB. Wir sind zwar immer noch der Meinung, dass die strukturellen Probleme beim VfB Stuttgart nicht durch einen „Heiland“ gelöst werden können, trotzdem hofften wir nach dem Abstieg zumindest auf eine breitere Debatte. Der Ausgang ist bekannt, die Diskussion zu „Was braucht der VfB Stuttgart jetzt?“ wurde erfolgreich ersetzt durch „Warum wollt ihr Wolfgang Dietrich nicht? Einen erfolgreichen Manager, der durchgreift?“ Ausgang ist bekannt, Spaltung absehbar. Der Heiland sprach „Ja zum Erfolg!“.
Mittlerweile ist der VfB Stuttgart aber an einem Punkt angekommen, an dem sich die Erkenntnis durchsetzt, dass nicht alles so rosig läuft, wie uns die Herren Dietrich und Reschke glauben machen wollen. Bleiben wir, wie so häufig, bei den Strukturen:
• In dringenden Fällen entscheidet der Präsidialrat. Dieser setzt sich laut Wolfgang Dietrich aus ihm, Herrn Porth und Herrn Ohlicher zusammen. Hermann Ohlicher ist zweifellos eine VfB-Legende, ist er aber auch der richtige Sportfachmann für solch ein Gremium, in dem „der Sport“ sowieso schon wieder in der Minderheit ist?
• Im Aufsichtsrat sitzt zusätzlich zu Hermann Ohlicher noch Guido Buchwald für „den Sport“. Dieser kann immerhin auf einige mehr oder weniger erfolgreiche Stationen als Trainer oder Sportdirektor bei unterklassigen Vereinen oder in Japan zurückblicken. Damit hat es sich dann im achtköpfigen Gremium aber auch schon wieder. Die Episode um Buchwalds Kritik an Michael Reschke via Presse wirft auch die Frage auf, ob er lediglich als Feigenblatt fungiert.
• Die Frage nach dem Feigenblatt muss auch bei diversen angeblichen oder tatsächlichen Beratern gestellt werden. Aktuelles Beispiel ist Thomas Hitzlsperger, der als Direktor des Nachwuchsleistungszentrums und Präsidiumsmitglied des e.V. auch beratend in sportliche Entscheidungen involviert ist. Dagegen ist sicherlich nichts einzuwenden, allerdings muss eben eine andere Person die Entscheidung fällen und die Verantwortung tragen. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, wie sehr sich diese Person von der Beratung denn beeinflussen lassen möchte.
• Warum gibt es in der VfB AG keinen Vorstandsvorsitzenden, der als direkter Vorgesetzter der Vorstände im täglichen Geschäft fungiert und einen Gegenpol zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats bildet?
• Beim FC Bayern München ist dies Karl-Heinz Rummenigge. Trotzdem gibt es eine öffentlich ausgetragene Dauerfehde zwischen der Vereinigung der Aufsichtsräte Deutschlands und Uli Hoeneß. Diese wirft ihm vor, als Aufsichtsratsvorsitzender in unprofessioneller Art und Weise Leitung und Kontrolle zu vermischen. Aus der Außensicht erfüllt Wolfgang Dietrich inoffiziell auch die Funktion des Vorstandsvorsitzenden, zumindest scheint er der erste Ansprechpartner von Michael Reschke zu sein. Wie professionell ist dann die Rolle von Wolfgang Dietrich beim VfB, wo es nicht mal einen Vorstandsvorsitzenden als Gegenpol gibt?
Fazit
Wie oben bereits ausgeführt standen wir sowohl bei der Wahl von Wolfgang Dietrich als auch bei der Ausgliederung auf einem konträren Standpunkt. Die Ausgliederung ist eine unumkehrbare Tatsache, die Präsidentschaft von Wolfgang Dietrich nicht. Alle VfB-Fans verdienen aus unserer Sicht einen professionell geführten VfB, in dem Kompetenz vor Ego geht, der transparent geführt wird, glaubwürdig und vertrauensvoll kommuniziert und der großen Worten auch Taten folgen lässt. Bei diesem VfB sind Posten und Pöstchen kein Selbstzweck, Gewohnheitsrecht und Seilschaften abgeschafft und sportliche Innovationen werden möglich, weil die richtigen Leute mit dem größten Fachwissen auf den entscheidenden Positionen sitzen. Erst dann wird man auch endlich aus dem Hamsterrad der permanenten Entlassungen ausbrechen können. Aktuell gibt es viel zu wenig von diesem VfB und zu viel Wolfgang Dietrich. Seine gremienbasierte Unterjochung des VfB Stuttgart muss endlich aufhören.
Die Mannschaft und die Kurve sind jetzt im Abstiegskampf gefordert, trotzdem ist es ebenfalls bereits jetzt nötig, deutlich Kante zu zeigen, denn diesen VfB wird es mit Wolfgang Dietrich als Präsident leider niemals geben.